Schweizers Reagenz

Ich fertige schon lange Zeit meine Leiterplatten mit dem Thermotransfer-Verfahren an: Das Layout wird mittels eines Laserdruckers spiegelverkehrt auf ein Transfermedium gedruckt, und dann der Toner (die "Farbe") durch Erhitzen und Pressen (Bügeleisen oder modifiziertes Laminiergerät) auf die Kupferschicht der Leiterplatte übertragen. Danach kann die Leiterplatte geätzt werden, und danach wird die Tonerbeschichtung mittels eines Lösungsmittels wieder entfernt. Anfangs habe ich als Transfermedium die Folie von Laserdrucker-Etikettenpapier (nachdem die Etiketten entfernt wurden) verwendet, was eine fast hundertprozentige Übertragung des Toners auf die Leiterplatte ermöglichte. Nur leider ändert (nach meinen Erfahrungen) diese Folie ihre Größe bei Erwärmung, was zu (fast unsichtbaren) Rissen im Tonerauftrag auf der Kupferfläche (und damit zu schwer auffindbaren Haarrissen in den Leiterbahnen) führt. Daher ging ich zur Verwendung von Papier aus den Katalogseiten eines Elektronikversenders (welches auch von vielen anderen Anwendern dieses Verfahrens verwendet wird) über. Das ist zwar formstabil, erfordert jedoch einen zusätzlichen Arbeitsschritt: Wenn der Toner durch die Hitzebehandlung auf der Kupferschicht klebt, kann das Papier (im Gegensatz zu Folie) nicht einfach abgezogen werden, sondern das Papier muß mit Hilfe von Wasser (und ein wenig Spülmittel) aufgeweicht und abgerubbelt werden. Dieses Verfahren funktioniert recht gut, nur durch die mechanische Belastung beim Abrubbeln des Papiers löst sich gelegentlich (besonders bei sehr schmalen Leiterbahnen) etwas Toner von der Leiterplatte, was eine aufwändige Kontrolle/Nachbearbeitung zur Folge hat. Nach einigen Recherchen zu diesem Problem fand ich einen Hinweis auf Schweizers Reagenz, eine Substanz, die Zellulose (und damit auch Papier) auflöst. Eine Behandlung des anklebenden Papiers mit dieser Reagenz würde die Rubbelei unnötig machen...

Warnung: Bei der Anwendung des hier beschriebenen Verfahrens ist (selbst bei Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von den verwendeten Apperaturen) ein Kontakt mit gasförmigen (giftigem!) Ammoniak nicht auszuschließen. Wer dieser Anleitung weiter folgen möchte, sollte sich der daraus ergebenden Risiken bewusst sein (oder mit entsprechendem Atemschutz arbeiten)! Ein Arbeiten unter einem Abzug (oder "draussen", möglichst nicht bei Windstille) ist unbedingt notwendig!

Die Beschaffung der notwendigen Substanzen:

Zur Synthese dieser Reagenz habe ich zwei Verfahren recherchieren können. Das meistverwendete Verfahren basiert auf der Herstellung von Kupferhydroxid aus Kupfersulfat und Ätznatron, und dessen Mischung mit Salmiakgeist. Ätznatron ist ja noch beschaffbar ("Entwickler" für fotopositiv beschichtete Leiterplatten oder Abflußreiniger), aber kaum jemand verkauft noch Kupfersulfat an Privatpersonen. Und eine Bestellung im Internet wollte ich aufgrund des unsicheren Verbleibs meiner Daten lieber nicht vornehmen. Also "Variante B": Hierbei werden Kupferspäne, 20%iger Salmiakgeist und etwas Ammoniumchlorid benötigt. Die Kupferspäne habe ich, und das Ammoniumchlorid läßt sich einfach durch Einblasen von Salzsäuredämpfen (z.B. mittels einer Gaswaschflasche) in den Salmiakgeist herstellen. Nur der 20%ige Salmiakgeist scheint (zumindest im städtischen Bereich -> Es gibt keine "echten" Drogerien mehr) nicht ganz so einfach zu beschaffen zu sein. Auf einer Odyssee durch einige Apotheken habe ich die tollsten Dinge erlebt (nach den Aussagen, die ich dabei gehört habe, wundert es mich, daß ich nicht gleich als "potenzieller Terrorist" verhaftet wurde), bis mir ein freundlicher Apotheker den Rat gab, doch mal einen Blick in einen Baumarkt zu werfen. Ja, dort gab es Salmiakgeist (auch ganz anonym, und auch ohne die Vorlage einer "Bescheinigung über psychische Unbedenklichkeit" oder einer Stuhlprobe). Aber der war nur 9%ig... Also war die nächste Herausforderung, dieses elend stinkende Zeugs aufzukonzentrieren.

Aufkonzentration von Salmiakgeist:

Aufkonzentration
Wer in der glücklichen Lage ist, 20%igen Salmiakgeist beschaffen zu können, kann diesen Absatz getrost überspringen. Und wer sehr geruchsempfindlich ist, sollte einfach Abstand von dem hier vorgestellten Verfahren nehmen, denn jetzt wird es "stinkig".
Ich habe mir zur Aufkonzentration eine Apperatur zusammengestellt, die aus einem "sanft" beheizten Kolben (Gaserzeuger), einem Schauch mit angeschlossener Pasteur-Pipette, und einem gekühltem Kolben (Reaktionsgefäß) bestand. Beide Kolben wurden mit dem zur Verfügung stehenden 9%igen Salmiakgeist befüllt. Seltsamerweise war beim Betrieb dieser Konstruktion (der "Gaserzeuger" war etwas mehr als "handwarm" und die Flüssigkeit darin bubberte ein ganz klein wenig) keine Blasenbildung im "Reaktionsgefäß" zu beobachten. Stattdessen war bei sehr genauem Hinhören ein sirrendes Geräusch vernehmbar. Sollte das vielleicht die Folge der "begierigen Aufnahme" des erzeuten Ammoniaks in der Lösung sein (→ bevor die Gasblasen zur Oberfläche gelangen können. werden sie von der Flüssigkeit absorbiert)? Auch ein weiterer Effekt ist mir bei diser Aktion (die über ein paar Stunden lief, und ca. alle 10min. beobachtet/kontrolliert wurde) aufgefallen: Plötzlich war das (mit Eiswasser und ein wenig Salz gekühlte) Reaktionsgefäß so gut wie leer!? Sollte ich es tatsächlich geschafft haben, die Konzentration der stinkenden Brühe so hoch (weit über 30%?) zu treiben, daß das Zeugs aufgrund des dabei sinkenden Siedepunktes "einfach verdampft" ist? Einen zweiten Versuch habe ich vor dem Verschwinden des gewünschten Endproduktes abgebrochen... Den Gestank bei der Reinigung der verwendeten Gerätschaften beschreibe ich lieber nicht...
Aber hat das entstandene Gebräu denn nun die richtige Konzentration? Das läßt sich wohl am einfachsten durch die Messung der Dichte bestimmen. Da ich kein Aräometer habe, habe ich mir etwas Ähnliches aus einem kleinen Reagenzglas und etwas eingelegtem Papier hergestellt. Die "Kalibrierung" erfolgte durch Versuche mit Wasser (1.000), 3.5%iger Kochsalzlösung (1.025) und 9%igen Salmiakgeist (0.958). Durch grobes Interpolieren und mit der Annahme, daß die Skala einigermaßen linear sein sollte, zeichnete ich noch eine weitere Linie für "0.925" (für 20%igen Salmiakgeist) auf das Papier. Ein Versuch mit der aufkonzentrierten Lösung ergab: Angenommene Dichte (Eintauchtiefe) exakt getroffen! Nun hatte ich etwa 20%igen Salmiakgeist!
Dichtebestimmung

Herstellung von "Schweizers Reagenz":

Einbringen von Ammoniumchlorid
Der 20%ige Salmiakgeist soll (laut "Rezeptur") noch etwas Ammoniumchlorid enthalten. Nichts leichter als das: Die schon zur Aufkonzentration verwendete Apperatur noch einmal aufgebaut, dieses mal jedoch mit ein wenig Salzsäure im "Gaserzeuger". Nach ein paar Minuten bildete sich ein dichter Nebel (genau genommen: Rauch aus Ammoniumchlorid) über der Flüssigkeit. Es qualmte, und es stank erbärmlich, aber das gehört wohl dazu...
Nun konnten die Kupferspäne in die Lösung gegeben werden. Nach etwa einer halben Stunde bei gelegentlichem Schütteln verfärbte sich die Brühe leicht bläulich. Eigentlich sollte das Ergebnis doch tiefblau werden? Dauert das wirklich so lange, oder fehlt da noch etwas? Natürlich! Die Luft fehlt! Also habe ich den Schlauch mit der Pipette an eine kleine Aquarienpumpe angeschlossen und Luft durch die Lösung perlen lassen. Nach einigen Minuten ergab sich dann auch die gewünschte (herrliche) Farbe! Ausserdem wurde die eingebrachten Kupferspäne so langsam weniger... Und auch der Gestank der Lösung verringerte sich nach meinem Eindruck auch! Die in diesem Experiment hergestellte Substanzmenge ist vielleicht für einen ersten Versuch ausreichend, aber wenn sich herausstellen sollte, daß dieses Verfahren "brauchbar" ist, muss ich mir ein anderes Herstellungverfahren überlegen...
Schrweizers Reagenz

Hinweise für Leser:

Wer dieser Anleitung folgen möchte, sollte außer den notwendigen Gerätschaften auch über Kenntnisse im Umgang mit den verwendeten Substanzen und deren korrekter Entsorgung verfügen. Die hier verwendeten und entstehenden Substanzen sind kein Spielzeug, sondern ätzend, gesundheits- und umweltschädlich! Gleiches gilt für die bei der Synthese entstehenden Gase! Nachfragen nach Ausgangssubstanzen, Zwischen- oder Endprodukten sind zwecklos → Ich "produziere" ausschliesslich für den Eigenbedarf.


Für die Nachvollziehbarkeit dieser Anleitung und die Folgen daraus kann ich keinerlei Verantwortung übernehmen. Wer dieser Anleitung folgt, tut es auf eigene Gefahr!


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HTML und Design: DK1RM erstellt: 7.06.2014 - letzte Änderung: 8.06.2014